© Dovile Sermokas
Ob große Namen auf der Bühne oder leise, berührende Zwischentöne – die Doxumentale ist ein Ort für besondere Augenblicke, die man so schnell nicht vergisst. In unserer Highlight-Reihe fangen wir genau diese Momente ein: Performances, Zitate, Begegnungen und Eindrücke, die das Festival prägen. Erlebt sie hier (noch einmal) mit uns!
Über den Dächern Berlins geht hinter der Autorin Eva Biringer und der Moderatorin Nadia Shehadeh die Sonne unter. Auf der Dachterrasse der Atelier Gardens findet am zweiten Tag der diesjährigen Doxumentale die Lesung „Unversehrt. Frauen und Schmerz“ statt. Als Eva Biringer aus ihrem gleichnamigen Buch liest, wird es politisch, historisch und gleichzeitig nah und persönlich. Gemeinsam sprechen die beiden Frauen über weiblichen Schmerz und dessen Unsichtbarkeit. Denn noch immer wird weiblicher Schmerz übergangen, bagatellisiert und entwertet. Dass das kein individuelles, sondern ein strukturelles Problem ist, wird schnell deutlich, während Eva Biringer zu lesen beginnt.
Gemeinsam mit Nadia Shehadeh spricht sie über die Absurditäten weiblicher Schönheitsideale – Hungerdiäten, unrealistische Körperbilder und Tuberkulose als früherer Schönheits- und Klassenmarker. Durchschnittlich nehmen Frauen deutlich mehr Schmerzmittel ein als Männer. Eva Biringer sagt dazu: „Frauen bringen sich selbst zum Schweigen, weil sie nicht dem Klischee der schwachen Frau entsprechen wollen. Sie betäuben sich mit Schmerzmitteln.“ Als Moderatorin Nadia Shehadeh fragt, was wir denn tun können, antwortet Eva Biringer: „Teilen. Das Darüber-Sprechen macht es sichtbar.“ Und das tun an diesem Abend nicht nur die beiden, sondern auch das Publikum, das sich angeregt an der anschließenden Fragerunde beteiligt.
Ein paar Stockwerke tiefer feiern Amichai Lau Lavie und Sandi DuBowski ein ganz besonderes Fest mit dem Doxumentale-Publikum. Die beiden sind Protagonist und Regisseur der Dokumentation „Sabbath Queen“. Das Licht ist warm und die über 40 Besucherinnen sitzen an gedeckten Tafeln, umgeben von Kerzen, Blumen und den Worten von Amichai Lau Lavie. Er bittet die Besucherinnen, sich gegenseitig in die Augen zu schauen und ihre gegenseitige Präsenz wahrzunehmen. „Mögen wir einander mit Liebe und Geduld nähren“, sagt Rabbi Amichai Lau Lavie und eröffnet damit das Buffet mit wundervollem Essen von Kanaan Berlin.
Und während beim Sabbath Queen’s Friday Feast gefeiert wird, führt uns der Abend im Gebäude daneben tiefer in ganz andere Themenwelten – denn wer durch die Atelier Gardens geht, bewegt sich nicht nur räumlich, sondern auch zwischen Geschichten voller Hoffnung, Schmerz und Widerstand. Im TON 1 findet ein ganz besonders eindrucksvolles Filmscreening statt. „Little Syria“ zeigt die Lebensrealität von drei syrischen Geflüchteten in Berlin – Reem, Mohammed und Yasser –, die mit dem Trauma der Flucht kämpfen. Ihre Vergangenheit lässt sie nicht los, das Ankommen bleibt brüchig. Co-Regisseurin Reem Karssli begleitet sie auf der Suche nach Halt und nach Antworten: Was bleibt von der syrischen Revolution? Als das Assad-Regime im Dezember 2024 fällt, öffnet sich ein neues Kapitel – voller Hoffnung, aber auch voller Fragen.
„Um ehrlich zu sein, bin ich noch ein bisschen sprachlos. 'Little Syria' hat mich wirklich sehr bewegt“, sagt eine Zuschauerin nach dem Film. Wer 'Little Syria' beim Festival verpasst hat, kann den Film noch bis zum 30. Juni online anschauen – ebenso wie viele weitere bewegende Beiträge. Kino, das bleibt – egal, wo ihr seid.