© Polly Braden
Wie können wir Angst, Desinformation und extremistische Manipulation bekämpfen?
Regisseurin Havana Marking erzählt von einer mutigen und hochaktuellen Recherche über den fragilen Zustand unserer Demokratien.
Ich bin mit meinen Filmen oft unterwegs – immer auf der Suche nach den Geschichten hinter den Schlagzeilen. Ich habe in Afghanistan gedreht, auf dem Balkan und in Asien. Und irgendwann wurde mir klar: Die Frontlinie im Kampf um Demokratie verläuft inzwischen im Westen. Also wollte ich einen Film machen, der genau das zeigt – und der in Großbritannien spielt.
Dann wurde die Geschichte plötzlich größer: Zuerst stießen wir auf ein europaweites Netzwerk der extremen Rechten – und dann auch auf Verbindungen in die USA, woher ein großer Teil der Finanzierung kommt. Was als lokales Projekt in Großbritannien angefangen hat, wurde global. Aber genau deshalb fühlt es sich wie eine der wichtigsten Geschichten unserer Zeit an.
Wir begleiten eine Organisation, bei der zwei Journalist:innen undercover in rechtsextreme Gruppen eingeschleust werden – sowohl auf der Straße als auch in intellektuellen Kreisen mit millionenschwerer Finanzierung. Das war auf vielen Ebenen beängstigend: Was, wenn jemand merkt, dass wir drehen? Was, wenn die Reporter:innen auffliegen?
Aber es war auch rechtlich heikel. Wir reden hier über Milliardäre aus dem Silicon Valley mit riesigem Anwaltsteam. Deshalb mussten wir journalistisch extrem sauber arbeiten – und genauso gut vorbereitet sein, was unsere Sicherheitsprotokolle angeht. Wir haben viel Zeit investiert, um uns als Team abzusichern. Alle haben Sicherheitstrainings gemacht, und die Undercover-Leute sind sehr erfahren. Wir waren gut aufgestellt.
Gefährliche oder heikle Situationen gab es viele – aber wir hatten nie das Gefühl, dass wir aufhören sollten. Der Druck kam eher von außen: Kinos waren zum Teil zurückhaltend, weil sie den Film für zu riskant hielten.
Aber wir haben vorgesorgt, alle sind in Sicherheit – auch die Journalist:innen. Dafür haben wir viele Schutzmaßnahmen getroffen und konsequent umgesetzt.
Ich war ehrlich gesagt schockiert, wie gut organisiert, effizient und professionell diese Netzwerke sind – und wie viel Geld dahinter steckt. Sie sind uns technologisch weit voraus. Sie verstehen, wie man soziale Medien gezielt nutzt, wie man Algorithmen für sich arbeiten lässt, wie man Desinformation verbreitet.
Sie setzen auf Kryptowährungen, sie bewegen sich auf Plattformen, mit denen wir kaum umgehen können. Diese Erkenntnis war wirklich beunruhigend.
Für mich ist das eine Art perfekter Sturm. Ein zentraler Punkt ist die wirtschaftliche Lage: Wenn Menschen arm sind, wenn sie kämpfen müssen, wenn das kapitalistische System nicht mehr liefert, was es versprochen hat – dann suchen sie nach Alternativen. Und dann wird eine einfache Antwort auf ein komplexes Problem plötzlich sehr verführerisch.
Rassismus, Anti-Migrations-Rhetorik, faschistische Narrative – das alles lässt sich leicht instrumentalisieren, wenn Menschen in Not sind. Für viele funktioniert das System einfach nicht mehr.
Wir haben in unserem Film versucht, Mitgefühl und Verständnis zu zeigen – nicht für die extreme Rechte, sondern für die Menschen, die anfällig dafür sind. Menschen, die Angst haben und sich einfache Antworten wünschen.
Wir verurteilen nicht ihren Glauben – sondern die, die diesen Glauben gezielt manipulieren.
Wenn Dokumentarfilme genau da ansetzen, wenn sie erklären können, warum etwas schiefläuft – nicht nur, dass es schiefläuft –, dann können sie Brücken bauen. Und das ist extrem wichtig.
Das ist eine richtig gute – und schwierige – Frage. Die Plattformen durften zu lange machen, was sie wollten. Wir waren zu langsam, um Gesetze nachzuziehen, die nicht die Meinungsfreiheit beschneiden, sondern dafür sorgen, dass Inhalte ehrlich, transparent und nicht hetzerisch sind.
Anders gesagt: Sie waren zu schnell, wir zu langsam. Und heute sind viele Regierungen fast abhängig – aus Angst, Wähler:innen zu verlieren, wenn sie zu streng regulieren.
Wir müssen den Mut finden, hier gegenzusteuern. Wir müssen einen Weg finden, wie Meinungsfreiheit, gesellschaftlicher Zusammenhalt und Wahrheit gleichzeitig auf denselben Plattformen existieren können. Das ist schwierig, aber absolut notwendig.
Ich habe gerade den Regisseur Friedrich Moser kennengelernt – und ich will seinen Film How to Build a Truth Engine unbedingt sehen!
Ich freue mich auch riesig auf die anderen Filme, auf tolle Gespräche und auf den Austausch mit anderen Filmemacher:innen. Ich kann’s kaum erwarten!